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DMRDER AUFSICHTSRAT IN DER KRISE – Teil 1
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DER AUFSICHTSRAT IN DER KRISE – Teil 1

Die Rolle des Aufsichtsrats in Deutschland wird zunehmend komplexer. Der Druck auf Unternehmensentscheider und deren Aufsichtsräte wie auch deren Haftungspotential ist deutlich angestiegen. Erst vor kurzem befasste sich das Kammergericht Berlin wieder einmal mit der Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern wegen verbotener Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (KG Berlin, Urt. v. 29.04.2021 – 2 U 108/18).
Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit der Rolle des Aufsichtsrats in einer Krise und liefert den Auftakt in den Themenkreis “Pflichtenstellung in der Krise”, dem sich auch nachfolgende Blogbeiträge widmen werden.

Überwachungs-, Kontroll- und Beratungspflichten als Kernaufgaben des Aufsichtsrats

Die Pflichten des Aufsichtsrats – und bei Verletzung derselben der Anknüpfungspunkt seiner Haftung – werden maßgeblich in § 111 AktG geregelt. Seine zentrale Funktion ist die Kontrolle und Überwachung des Vorstands. Hierbei steht weniger eine detaillierte Kontrolle der Einzelmaßnahmen als die Plausibilisierung der Geschäftsführung als Ganzem im Raum. Inhaltlich bezieht sich diese Aufgabe nicht nur auf die Frage der rechtlichen Korrektheit (Legalitätspflicht), sondern – immer mehr – auf die Aspekte der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Vorstandshandelns.
Die zweite wesentliche Kernaufgabe des Aufsichtsrats ist die Beratung des Vorstands. Darin zeigt sich deutlich, dass das Aufgabenfeld nicht nur aktuelle und abgeschlossen Vorgänge betrifft (vergangenheitsbezogene Kontrolle), sondern gerade auch das zukünftige Vorstandshandeln und damit Fragen der künftigen Geschäftspolitik miteinbezieht (zukunftsbezogene Kontrolle).

Abstrakte krisenbedingte Pflichtensteigerung

Die Ursachen für eine Krise innerhalb eines Unternehmens können vielfältig sein. Ähnlich variabel verhält es sich mit der Intensität, mit der der Aufsichtsrat seinen Kernkompetenzen nachzugehen hat. Überwachungstätigkeit, Kontrollaufgabe aber auch die Beratung verfolgen nämlich keine starren Schemata, sondern sind dynamischen Vorgänge, die sich den jeweiligen Situationen und deren Herausforderungen anzupassen haben. Das gilt in prosperierenden Zeiten der Gesellschaft, umso stärker jedoch in der Krise. Dann nämlich hat der Aufsichtsrat seine Aufgaben mit gesteigerter Sorgfalt und mehr Einsatz wahrzunehmen.

Konkrete Pflichtensteigerung

  • Engmaschigere Kontrolle und Blick auf das “Operative”: Unklar ist, inwiefern das operative (Tages-)Geschäft überhaupt eine Kontrollangelegenheit des Aufsichtsrats darstellt, geht es bei der Bewältigung und dem Umgang mit gegenwärtigen Krisen(-entwicklung) ganz eindeutig um eine zu überwachende Leitungsaufgabe. Der Aufsichtsrat hat sich auf die Bewertung der operativen Strategie des Vorstands zu konzentrieren. Nicht selten liefern (Fehl-)Entscheidungen auf dieser Ebene erst die eigentlichen Auslöser für eine Krisenentwicklung oder tragen zu ihrer Intensivierung bei. Das Augenmerk sollte auf solche Vorgänge gerichtet werden, die erkennbar “aus der Reihe fallen”. Etwa die Inanspruchnahmen staatlicher Finanzierungshilfen und Fördermittel wegen Corona. Wie der Fall des Kammergerichts Berlin belegt, sind “Ausreißer” auch in der Zahlungs- und Finanzierungspolitik des Unternehmens immer wieder ausfindig zu machen.
  • Verstärkte Beratung: Die beratende Komponente bestätigt, dass die Organe Hand-in-Hand arbeiten müssen. In der Krise nimmt die beratende Funktion an Bedeutung zu. Der Aufsichtsrat hat seine eigene Expertise, etwa durch Stellungnahmen, Anregungen und Beratungssitzungen mit dem Vorstand, verstärkt einzubringen. Das trägt nicht nur zur Selbstkontrolle des Vorstands bei, sondern hinterfragt und stärkt das unternehmerische Krisenmanagement und die gewählte Strategie zur Krisenbewältigung.
    Zugespitzte Situationen veranlassen den Menschen oft zum affektierten Handeln. Dem sollte der Aufsichtsrat jedoch tunlichst widerstehen. Denn auch in einer Krise, hat er das Duale System (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG), also die strikte Trennung der beiden Organaufgaben Vorstand und Aufsichtsrat zu berücksichtigten. Die Aufgabe des Aufsichtsrats ist keine Ersatzgeschäftsführung. Auch in der Krise wird der Aufsichtsrat nicht Teil einer Ersatzgeschäftsführung. Die Aufgabe ist aber auch mehr als eine interne “Polizeiangelegenheit”, vielmehr eine Unterstützung, eine Kooperation mit dem Vorstand.
  • Versorgung durch einen ausreichenden Informationsfluss: Für eine intensive(re) Beratung muss der Aufsichtsrat regelmäßig mit entsprechenden Informationen versorgt werden. Primäre Informationsquellen sind die Regelberichterstattungen durch den Vorstand (§ 90 AktG). Der Aufsichtsrat sollte aber auch aktiv und vorstandsunabhängig Informationen über solche Angelegenheiten einholen, die seiner Einschätzung nach Einfluss auf die Lage der Gesellschaft haben können. Erscheinen die Berichte des Vorstands unvollständig oder gar inhaltlich unrichtig, muss der Aufsichtsrat von sich aus aktiv werden, nachfassen und ggfls. eigene Nachforschungen anstellen.
  • Wahrnehmung der Personalkompetenzen: Der Aufsichtsrat muss in einer Unternehmenskrise vermehrt prüfen und beurteilen, ob die momentane Geschäftsführung qualitativ geeignet ist das Krisenmanagement zu leisten. Ist das nicht (mehr) der Fall, muss reagiert werden. Die eher passive Überwachungstätigkeit schlägt dann in ein aktives Handeln um, etwa wenn ein Vorstandsmitglied sich als unzuverlässig und nicht (mehr) geeignet erweist. Dann ist über seine Abberufung zu entscheiden (§ 84 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AktG).
  • Durchsetzung besonderer Zustimmungsbefugnisse: Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. In zugespitzten Situationen muss der Aufsichtsrat von seinen speziellen Mitwirkungsbefugnissen, etwa in Gestalt von Zustimmungsvorbehalten, Gebrauch machen. Schafft die Satzung hierfür keine ausreichende Grundlage, hat der Aufsichtsrat ggf. selbst darauf hinzuwirken (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG).
  • Erhöhung des zeitlichen Engagements: Eine Erhöhung des zeitlichen Engagements ist oftmals unvermeidbar, in jedem Fall aber empfehlenswert. Dazu gehören die Vor-/Nachbereitung der Aufsichtsratssitzungen sowie eine Erweiterung der Sitzungshäufigkeit und -dauer.

Fazit

Der Aufsichtsrat hat in der Krise besondere, herausfordernde Aufgaben und Pflichten. Erfordert es die Risikolage, muss der Aufsichtsrat von sich aus aktiv(er) werden. Seine Arbeit versteht sich aber auch als eine sinnvolle Kooperation mit dem Vorstand. In der Krise rücken diese beiden “Partner” noch näher zusammen. Eine maßvolle, aber auch konsequente Aufgabenwahrnehmung durch einen professionellen Aufsichtsrat kann der Geschäftsführung auch den Rücken stärken und so für die richtigen Signale unter den Stakeholdern sorgen.

Ansprechpartner: Dr. Tobias Moser, Fabian Wirths

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