Verbundene Unternehmen bei Corona-Überbrückungshilfen – Abgrenzung, Auslegung und Fehlerquellen
In unserer Praxis bei der Beratung von betroffenen Unternehmen zu Schlussabrechnungen zu den Corona-Überbrückungshilfen haben wir es häufig mit dem Problem „Verbundene Unternehmen“ zu tun. Bewilligungsstellen nutzen dieses Argument oft, um Rückforderungen zu begründen. Hier sehen wir seitens der Bewilligungsstellen eine Fehlerquelle, da die Rückfragen und Bescheide meist pauschal sind und die individuellen Hintergründe der betroffenen Unternehmen nicht ausreichend berücksichtigen.
Was sehen wir oft?
Es kommt oft zu Rückfragen der Bewilligungsbehörde und immer wieder zu Ablehnungen von Anträgen, sobald (potentiell) mehrere Unternehmen gleichzeitig betroffen sind. Besonders problematisch wird es regelmäßig, wenn diese Unternehmen die Fördermittel nicht gemeinsam als „verbundene Unternehmen“ beantragt haben. In diesen Fällen unterstellen Bewilligungsstellen mitunter einen förderrechtlich relevanten Unternehmensverbund – häufig pauschal, ohne erkennbare Einzelfallprüfung.
Diese behördliche Praxis steht im Spannungsverhältnis zur gesetzlichen Definition des Begriffs „verbundene Unternehmen“. Maßgeblich ist hier eine EU Verordnung, die im Rahmen sämtlicher Überbrückungshilfeprogramme gilt. Insbesondere bei Konstellationen mit familiären oder personellen Überschneidungen ist die rechtliche Beurteilung komplex, sodass eine schematische Pauschalbewertung meist nicht genügt.
Vor diesem Hintergrund empfehlen wir betroffenen Unternehmen, behördlichen Einschätzungen, die den unionsrechtlichen Vorgaben nicht entsprechen, im Widerspruchs- oder Klageverfahren mit klarer Argumentation zu begegnen.
Was sind „verbundene Unternehmen“?
Die Richtlinien und FAQ zu den Corona-Überbrückungshilfen verweisen einheitlich auf die Definition des Begriffs „verbundene Unternehmen“ in Anhang I Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 1 AGVO. Danach gelten Unternehmen als verbunden, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Mehrheit der Stimmrechte: Ein Unternehmen hält unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit der Stimmrechte eines anderen Unternehmens.
- Bestellungsrecht: Ein Unternehmen ist berechtigt, die Mehrheit der Mitglieder des Leitungsorgans eines anderen Unternehmens zu bestellen oder abzuberufen.
- Beherrschender Einfluss: Ein Unternehmen kann auf ein anderes Unternehmen einen beherrschenden Einfluss ausüben.
- Stimmbindung: Mehrere natürliche oder juristische Personen üben gemeinsam die Kontrolle über ein Unternehmen au
Darüber hinaus erweitert die entsprechende EU Verodnung den Anwendungsbereich auf Unternehmen, die von einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen kontrolliert werden, sofern sie auf demselben oder auf benachbarten Märkten tätig sind.
Gemeinsame Behandlung von verbundenen Unternehmen bei Coronahilfen
Die Corona-Überbrückungshilfen I bis III greifen diesen unionsrechtlich definierten Begriff des „verbundenen Unternehmens“ auf. Liegt ein solcher Verbund vor, erfolgt die Prüfung von Umsatz- und Fixkosten nicht auf Ebene des einzelnen Unternehmens, sondern auf Ebene der gesamten Unternehmensgruppe.
Die Voraussetzungen für das Bestehen eines Unternehmensverbunds sind daher von erheblicher praktischer Relevanz – insbesondere für die korrekte Antragstellung und die Schlussabrechnung.
Abgrenzungskriterien in der Praxis
Die europarechtlichen Regelungen stellt ausdrücklich klar, dass bei natürlichen Personen als verbindendes Element verschiedener Unternehmen weder die Inhaberidentität noch personelle Überschneidungen in der Geschäftsführung ausreichen, um ein verbundenes Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne zu begründen. Es ist vielmehr auch nach der Rechtsprechung erforderlich, dass eine zusätzliche wirtschaftliche oder organisatorische Verflechtung besteht.
Zentrale Kriterien für die rechtliche Bewertung sind:
- Tätigkeit auf demselben oder benachbarten Markt: Nach der Verwaltungspraxis besteht eine Marktüberschneidung grundsätzlich, wenn sich die ersten drei Ziffern der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) gleichen oder benachbart sind.
- Beherrschende Einflussnahme: Diese kann sich etwa durch Stimmbindungsverträge, dominierende Kapitalmehrheiten oder gemeinsame Geschäftspolitik ausdrücken.
- Organisatorische Verflechtung: Gemeinsame Betriebsstätten, Personal oder Ressourcen können – je nach Gewichtung – einen Verbund begründe
Dagegen löst weder die bloße Vermietung von Immobilien noch eine familiäre Beziehung zwischen Gesellschaftern automatisch eine solche Verknüpfung aus, die eine Verbundenheit im Sinne der AGVO darstellt. Hier kommt es vielmehr auf den Einzelfall an.
Vermietete Immobilien
Was wir besonders Häufig sehen: Die Annahme eines Unternehmensverbunds auf Grund der Vermietung von Gewerbeimmobilien zwischen zwei rechtlich selbständigen Unternehmen, insbesondere wenn Gesellschafter oder Geschäftsführer beider Unternehmen personenidentisch oder verwandt sind.
Die Bewilligungsstellen unterstellen in solchen Fällen teils vorschnell eine wirtschaftliche Verflechtung und folgern daraus die Existenz eines verbundenen Unternehmens. Diese Bewertung greift unserer Meinung nach jedoch viel zu kurz, denn ein bloßes Mietverhältnis zu marktüblichen Konditionen begründet noch keine Verbundenheit im Sinne der AGVO, sofern es sich nicht um eine zentrale Voraussetzung für das wirtschaftliche Überleben des mietenden Unternehmens handelt oder darüber hinausgehende Abhängigkeiten bestehen.
Rechtlich ist entscheidend, ob über die reine Vermietung hinaus eine relevante wirtschaftliche oder organisatorische Verflechtung gegeben ist, etwa durch gemeinsame Betriebsführung, abgestimmte Geschäftspolitik, personelle Durchgriffe oder finanzielle Abhängigkeiten. So legen wir regelmäßig dar, dass zum Beispiel die Vermietung unter fremdüblichen Bedingungen zwischen zwei selbständigen Gesellschaften, die in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen tätig sind (z. B. Werbung vs. Gastronomie), für sich allein noch keine Einstufung als Unternehmensverbund rechtfertigt.
Aber auch die Vermietung im Rahmen der Vermögensverwaltung stellt unserer Erfahrung nach häufig keinen Unternehmensverbund dar. Auch eine familiäre Beziehung zwischen den Gesellschaftern führt nicht automatisch zur Annahme „gemeinsamen Handelns“, solange keine konkreten Beherrschungselemente im Sinne der AGVO nachgewiesen werden können.
Wir müssen daher in jedem Einzelfall prüfen, ob tatsächlich die Voraussetzungen eines beihilferechtlich relevanten Unternehmensverbunds erfüllt sind – oder ob lediglich eine zivilrechtlich unabhängige Mietbeziehung vorliegt.
Die Bewilligungsstellen machen es sich hier oft sehr einfach und begründen die Annahme eines Unternehmensverbundes mit wenigen phrasenhaften Sätzen. Das Thema ist jedoch zu komplex und zu einzelfallabhängig, um Rückforderungsbescheide auf diese Art und Weise zu begründen.
Typische Fehlannahmen und verfahrensrechtliche Anforderungen
In der Verwaltungspraxis werden Unternehmen häufig mit der pauschalen Annahme eines Unternehmensverbunds konfrontiert – etwa durch Rückfragen, Verweise auf „Innenumsätze“ oder die Anforderung, bisher getrennt gestellte Anträge zusammenzufassen. Diese Annahme erfolgt nicht selten ohne konkrete Bezugnahme auf die spezifischen Tatsachen des Falls.
Dabei gilt:
- Eine wirksame Anhörung setzt voraus, dass die entscheidungserheblichen Tatsachen benannt werden und der Betroffene Gelegenheit hat, hierzu Stellung zu nehmen.
- Ein Rückgriff auf nicht spezifizierte Fundstellen in den FAQ oder unklare Verweise auf angeblich „verbundene Unternehmen“ genügt den Anforderungen an ein rechtmäßiges Verwaltungsverfahren nicht.
Zusammenfassung
Die Beurteilung, ob ein Unternehmen als „verbundenes Unternehmen“ im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen gilt, erfolgt aufgrund der Verweisung in den FAQ und Richtlinien nach den beihilferechtlichen Kriterien der AGVO. Eine pauschale Annahme allein aufgrund personeller, familiärer oder räumlicher Verbindungen ist rechtlich nicht haltbar, sofern keine zusätzliche wirtschaftliche oder organisatorische Verflechtung vorliegt und – bei Verbindung durch natürliche Personen – keine Tätigkeit auf demselben oder benachbarten Markt gegeben ist.
Unternehmen, die von einer entsprechenden behördlichen Einschätzung betroffen sind, sollten:
- Die Wirtschaftszweige anhand der WZ-Klassifikation objektiv dokumentieren,
- Nachweisen, dass keine beherrschenden Einflussverhältnisse bestehen,
- Eine organisatorische und wirtschaftliche Trennung darlegen (z. B. getrennte Buchhaltung, keine gemeinsamen Ressourcen),
- Im Verfahren auf die fehlende rechtliche Begründung der behördlichen Einschätzung hinweisen.
Aufgrund der teils komplexen Rechtslage kann es sich lohnen, das Vorliegen eines Unternehmensverbunds detailliert zu prüfen. Auf dieser Basis kann der vielfach zu pauschalen Argumentation der Bewilligungsbehörde dann gezielt und mit den spezifischen Details entgegengetreten werden. Ungerechtfertigte Rückforderungen oder Ablehnungen der Bewilligungsstellen können so möglicherweise verhindert werden.
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